Anna Perenna

Anna Perenna

Römische Mythologie

Eine Göttin oder Nymphe, welche die Römer durch ein fröhliches Fest ehrten, das auf den 15. März fiel, wird oft mit Anna, Schwester der ; Dido, verwechselt, oder ihre Geschichte mit der jener Fürstin vereinigt. Man erzählt, als nach dem Tode der Dido der König der Gätuler, Jarbas, Carthago eingenommen, sei Anna zu Battus, König von Malta, geflohen, und als ihr Bruder Pygmalion sie und Battus mit Krieg bedrohte, von da nach Italien zu Aeneas, der sie freundlich in sein Haus aufnahm; doch auch hier drohte ihr Gefahr von der Eifersucht der Lavinia. Durch Dido, welche ihr im Traume erschien, gewarnt, stürzte sich Anna in den Fluss Numicius, und ward nun als Nymphe dieses Flusses unter dem Namen Anna P. verehrt. Auch soll, als bei der Flucht des römischen Volkes auf den heiligen Berg Mangel an Nahrungsmitteln entstand, eine alte Frau aus einem benachbarten Orte, Namens Anna, Brod unter das Volk ausgetheilt haben, und ihr dafür nach der Rückkehr in die Stadt ein Heiligthum errichtet worden sein. Andere halten die Anna P. für die Mondsgöttin, Andere für eine Nymphe, die den Jupiter ernährt. Da indessen Anna nur die weibliche Form des Wortes annus (das Jahr) ist, welches auch in dem zusammengesetzten Beinamen P., der übrigens Fortdauer bedeutet, wieder enthalten ist, so ist sie wohl ursprünglich nur eine altitalische Gottheit des immer wiederkehrenden Jahres: ihr Fest, das in den Frühlingsanfang fällt, von wo an das Jahr wieder Nahrung zu spenden beginnt, lässt schliessen, dass jener Zug der Sage, wornach sie Brod austheilt, zu den ältesten Vorstellungen von ihrem Wesen gehört, und dass ihre Auffassung als Flussnymphe die befruchtende Kraft des Wassers andeutet, so dass ihre Vermengung mit der carthagischen Anna nur als willkürliches Spiel dichterischer Einbildungskraft erscheint.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874