Arithschandren

Arithschandren

Indische Mythologie

Lebte im Anfange des ersten Zeitalters, war mit einer frommen Königstochter vermählt, und beherrschte mit ihr voll Weisheit und Liebe die sieben Inseln der Glückseligkeit. Indra, Beherrscher des Himmels, fürchtete, dass die ausserordentliche Frömmigkeit dieses Glaubenshelden ihn dahin bringen werde, dereinst Beherrscher des himmlischen Reiches zu werden, daher sendete er einen Muri, einen halb guten, halb bösen Geist zu Arithschandren und seiner Gattin Tara, um beide zu versuchen. In der Gestalt eines furchtbaren Ebers fuhr er hernieder, verwüstete die Felder von Arithschandrens Unterthanen und lockte ihm das Versprechen ab, dem Geiste 100 Tonnen Goldes zu schenken, wenn er von seinem bösen Beginnen abstehen wollte. Um das Versprochene zu erhalten, reichten die Schätze seiner Gattin, der Verkauf seiner Güter und seines beweglichen Eigenthums nicht zu; er musste sich daher selbst sammt den Seinigen als Sklaven verkaufen, um die Summe zu füllen. Seine Redlichkeit ging noch weiter. Er ward als Sklave Aufseher über den Platz zur Verbrennung der Todten, und nahm dort eine kleine Abgabe für seinen Herrn ein; da starb sein eigener Sohn, und als seine Gattin denselben zur Verbrennungsstätte brachte, doch wegen der drückenden Armuth, in welche Arithschandren sich gestürzt, nicht im Stande war, die Abgabe zu zahlen, verweigerte er seinem eigenen Sohne die letzte Ehre. Solche Redlichkeit und Frömmigkeit rührte die Himmlischen, und sie beendigten seine Prüfung. Der nur scheintodte Sohn erwachte, Arithschandren erhielt seine Güter, seine Schätze wieder zurück, und sollte mit seiner Familie, seinen Unterthanen, seinem ganzen Reiche in das Paradies versetzt werden, und befand sich bereits auf dem Götterwagen, welcher gen Himmel schwebte, als eine kleine Anregung von Stolz sein Herz erfasste; augenblicklich stand der Wagen still und schwebt seitdem zwischen Himmel und Erde. Doch ist der Weise so fromm, dass man seiner bei jeder Bestattung eines Todten gedenkt, und ein Stern, auf dem Verbrennungsplatze aufgestellt, seine Gegenwart vertritt.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874