Ellora

Ellora

Indische Mythologie

Ein Gebirgszug in Vorderindien auf der Küste Malabar hinter Bombay, welcher fast ganz durch Kunst und die ausdauerndste Anstrengung ausgehöhlt ist. Nicht mit Unrecht nennt Daniels ein Prachtwerk, welches diesen Höhlentempel darstellt, die Wunder von Ellora; nicht mit Unrecht schreiben die Indier selbst ihre Erbauung den Pandus zu; denn es sind so riesige Werke, dass man nicht glaubt, menschliche Kräfte und die Zeit, welche dem Menschen zu Gebote steht, wären es auch viele Jahrhunderte, reichten zu solchen Arbeiten hin. Es sind nicht Bauten; aus dem lebendigen, tausend Fuss mächtigen Granit hat man Plätze ausgehauen, welche manchen der grössten deutschen Marktplätze um das Doppelte übertreffen, und in deren Mitte ungeheure Blöcke stehen gelassen, aus welchen man von aussen her einen Tempel, eine Pagode, in den vollendetsten, wunderbarsten Umrissen gemeisselt und mit Sculpturschmuck überladen hat. Zweiundvierzig colossale Elephanten tragen einen solchen Tempel ganz frei schwebend auf ihren Rücken, und ihre Füsse sind stark genug, nicht nur die Last ihres eigenen Körpers, sondern auch die eines 400 Fuss langen, 300 Fuss breiten und 200 Fuss hohen Granitblockes, aus welchem der Tempel besteht, zu tragen. In seinem Innern sind mit gleicher Mühe, wie von aussen her erfordert wurde, fünf Gemächer ausgehöhlt, in deren grösstem noch ein zweiter, 60 Fuss breiter und 150 Fuss langer Tempel in Pyramidenform befindlich ist. Riesige Figuren umgeben diese Heiligthümer; viele tausend derselben stehen völlig frei, festgewachsen an dem Boden, auf welchem sie ruhen; Alles ist symmetrisch geordnet und zum Ganzen harmonisch gesellt, von den Löwenköpfen des Daches und den Platformen auf der Höhe des Tempels, bis zu den Rüsseln der Ungeheuer, die das Ganze stützen. Andere Tempel stehen nicht frei, sondern sind regelmässige, künstliche Höhlen, oft vierzig bis fünfzig Fuss hoch, dreifach übereinander gethürmt. Die Balken-Construction ist im Innern nachgeahmt, die Decke scheint von Längenund Querbalken, die einander wechselseitig unterstützen, getragen, und diese ruhen wieder da, wo sie sich kreuzen, auf mächtigen Pilastern, deren jeder auf das Zierlichste gemeisselt, canellirt, nach eigenthümlichen Ordnungen geschnitzt ist; alle Figuren sind mit wunderbarer Gleichmässigkeit und Sauberkeit ausgeführt, so dass dieses ganze Riesenwerk so sehr den Stempel des Erhabenen trägt, das man gerne geneigt wird, es für Geisterwerk zu halten, und so sagt die Fabel auch davon: Die Söhne des Pandu, nachdem sie im Kriege gegen die Kurus unglücklich gewesen, hätten sich in die Gebirge von Ellora zurückgezogen und diese zu einem Tempel des Krischna auszuhöhlen beschlossen, den Gott aber gebeten, es ein ganzes Jahr Nacht sein zu lassen, damit die Welt um so mehr überrascht werde, wenn sie das neu erbaute Werk sähe. Es geschah, und am Morgen nach der langen Nacht strömten so viele Menschen herbei, dass die Pandus ein Heer von sieben Millionen zusammen bekamen, mit welchem sie nun unter Krischna's Anführung die Kurus besiegten. Gewiss ist, dass nur ein ganzes Volk, in langen Reihen von Jahren, lebend unter ächt asiatischem Despotendruck, im Stande war, diese Höhlungen zu bilden.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874