Feruer Ferver

Feruer Ferver

Persische Mythologie

Gedankenbilder, Idealbilder zu schaffender Wesen. Die persische Religion lehrt, Gott habe zu jedem Geschöpf ein Vorbild sich gedacht, nach welchem das dereinst auf der Erde zum Leben bestimmte geformt werden sollte. Diese Gedanken der Gottheit gingen in eine geistige Wirklichkeit über, und so entstand eine Classe von Genien, welche auf der dritten Rangstufe der guten Wesen steht, und eine geistige Welt bildet, die das Ideal der unter ihr existirenden wirklichen ist. Jeder Mensch, jedes Thier hat daher seinen Feruer, der dessen reines Idealbild ist, welchem das irdische Geschöpf völlig gleich wäre, wenn nicht Leidenschaften, Laster, Untugenden, irdische Bedürfnisse demselben den Stempel der niedrigern Natur aufdrückten und die Aehnlichkeit zerstörten; diese letztere wird um so grösser, je edler und tugendhafter die Nachbilder sind: darum hat Zoroaster die allergrösste Aehnlichkeit mit seinem Feruer, darum sind die sieben Amschaspands mit Ormuzd an ihrer Spitze demselben völlig gleich; sie alle haben ihre Feruers, nur Gott allein nicht, Zeruane Akherene hat keinen solchen, er war vom Uranfang da, und konnte also nicht nach einem Vorbild geschaffen sein. Die Feruers wohnen in der reinen Lichtwelt der Seligen, im Himmel des Ormuzd; dort befinden sich die Feruers des Urstiers, des Urmenschen, des Feuers, des Wassers, der Erde, der ganzen Thierund Pflanzen-Welt, und jede neue Geburt eines Thieres, eines Menschen, ist nichts, als eine neue Offenbarung eines Feruer; da aber diese nicht sterben, so bevölkert sich der Himmel der Seligen immer mehr, denn alle Ideale aller seit der Schöpfung erstem Tage hervorgebrachten Wesen sind dort, und er würde bald übervölkert sein, wenn der Himmel sich nicht ausdehnte und erweiterte nach jedem Bedürfniss. Da die Feruers schon vor der sichtbaren Schöpfung da waren, kämpften sie auch schon mit den Urbildern von Ahrimans grauenvollen Dews, und werden Ormuzd in allen Kriegen bis zu der letzten furchtbaren Entscheidungs-Schlacht beistehen; darum sind sie auch verehrte und angebetete Wesen, und man fleht zu ihnen um Schutz, Rath und Beistand, wie man zu Ormuzd betet. Man muss sie übrigens nicht mit der Seele verwechseln, diese ist etwas durchaus von ihnen Verschiedenes, denn die letztere wohnt im Menschen, sein Feruer aber schwebt nur zu seinem Schutz und seiner Hülfe herbei, wenn er seiner bedarf und zu den Gerechten gehört, kehrt aber auch alsbald nach seinem Wohnsitz zurück.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874