Ganga

Ganga

Indische Mythologie

Die liebste Gemahlin des Gottes Schiwa, aus deren Schweisstropfen der Ganges entstanden ist. Sie hatte, mit dem geliebten Gatten scherzend, einst ihre Hände einen Augenblick auf seine Augen gedrückt; dieser Moment dauerte mehrere Weltalter für die Erde, und in dieser schrecklichen Zeit, da Schiwa's Augen, bedeckt durch die Hände der Ganga, der Erde nicht leuchteten, ging Alles in Finsterniss und grauser Zerstörung unter. Schiwa bemerkte sogleich (in eben dem Sinne zu nehmen, wie der obige Augenblick), was vorging, und da er die geliebte Gattin in ihrem Scherze nicht stören wollte, erschuf er sich ein drittes Auge auf der Stirne, und bald war Alles durch den wohlthätigen Einfluss des Lichtes wieder hergestellt. Parwati zog schnell ihre Hände zurück und schüttelte den Schweiss davon ab, siehe! da entsprang von jedem Finger ein mächtiger Strom, der die Welt zu verschlingen drohte. Da mussten denn die allgewaltigen Götter helfen; sie bändigten die Gewässer und nahmen sie für sich in ihre Reiche, daher die Heiligkeit des Ganges, der aus demjenigen Antheil entspringt, welchen Brama erhielt. Schiwa bedrohte Ganga wegen des Unheils, das sie angerichtet, doch die Dews baten für sie, und so setzte er die Gattin, um sie zu heiligen, auf sein Haupt, wo sie nun schäckernd und spielend mit ihren Wellen in seinen Haarlocken umhereilt. Ganga wird abgebildet als eine auf dem Wasser wandelnde Frau, oder als Sirene, halb Fisch, halb Mädchen; die Verehrung, welche man ihr widmet, besteht hauptsächlich in häufigem Baden im Ganges.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874