Haine

Haine

Germ. u. slav. Mythologie

Nirgends ging wohl die Verehrung heiliger Bäume und Haine weiter, als unter den alten Deutschen und Wenden der Ostsee. Von Dänemark bis zum fernen Litthauen findet man noch jetzt in den Namen der Städte Spuren davon. Die Haine waren, sobald sie einem Göttersitz angehörten, umfriedet, entweder mit rohen Mauern oder mit Gräben, auch wohl mit Holzwänden; sie zu betreten, war nur den Priestern erlaubt; der Fremdgläubige, der Christ, welcher dieses wagte, ward immer den entheiligten Göttern geopfert, und mit dem Blute der Geschlachteten ward dann des Gottes Bild bestrichen, der Hain bespritzt, der Erdboden der Eiche, unter welcher das Götterbild stand, getränkt. Aus Unkunde dieser strengen Gesetze, oder auch wohl, um dem Volke zu zeigen, dass die Götter sie nicht bestrafen wegen ihres vermeinten Frevels, wurden die meisten Apostel ein Opfer ihres Eifers. Sehr oft waren die fremden Völker geneigt, die neuen Glaubenslehren anzunehmen, doch solche Versuche, den alten Glauben zu erschüttern, endigten häufig mit dem Opfertode des Bekehrers. Wunderbar ist, was man von dem Alter, der ungeheuren Grösse und der ewigen Grüne dieser mit Menschenblut gedüngten Bäume erzählt. Bei Heiligenbeil, Natangen, Thorn, Welau u. a. Orten gab es Eichen von 20 bis 27 Ellen im Umfang und von mehrtausendjährigem Alter. Als die christliche Religion eingeführt wurde, hieb man diese Denkmale der Urzeit um, und baute oft aus einem einzigen Baum eine ganze grosse Kirche. Dem Blute schrieb man zu, dass solche Bäume selbst im Winter ihre Blätter und ihre Farbe nicht verloren.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874