Kalmuecken

Kalmuecken

Mythos der Kalmuecken, ist der von Tübet nahe verwandt, indem diese sich von Indien durch China, Tübet, Kaschmir, die Tatarei etc., hoch gegen Norden hinauf erstreckt; doch sind überall nur die Hauptzüge geblieben, alle Nebenbestimmungen sind verwischt oder haben ein eigenthümliches Gewand erhalten, welches sich durch klimatische, sociale und andere Verhältnisse modificirt. Nach der Sage der zongarischen Kalmücken und Tataren war die Erde Anfangs ganz mit Wasser bedeckt; ein Sturmwind, von allen vier Weltgegenden herkommend, setzte die Wasser so gewaltsam in Bewegung, dass sie bis auf den Grund niederwühlten und aus dem Chaos sich achtzig Berge emporrangen, davon die Hälfte über der Wasserfläche eine zusammenhängende Masse bildete; sieben Götter stiegen vom Himmel herab, um die neue Erde zu besuchen, und Einige derselben entledigten sich eines natürlichen Bedürfnisses: ihre Excremente bestanden aus Honig; unwissend, welchen Ursprung derselbe habe, genossen zwei jener Götter davon, wodurch sie sich der Ehre, wieder mit den Andern zum Himmel zu steigen, beraubten, auf der Erde blieben und so dieselbe bevölkerten. Der Götter sind überhaupt tausend, und sie regieren nach einander abwechselnd; sechs derselben: Sandgi Namzic (der gute Hüter), Zugdor Tamtgetgob (der Mitleidige), Korwa, Dschigedan (der die Welt entvölkert, indem er die Seelen in's Paradies führt), Sertub (der Goldspender) und Ostrum (der Welthüter), haben bereits ausregiert; der siebente, Schak Dschumeni, regiert gegenwärtig, ihm würde Maidiri (der Prophet) folgen; allein ehe dieser zur Regierung kommt, wird die Welt untergehen, und er sagt das Schreckensereigniss nur der Welt an, dann wird der Verderber erscheinen, umgeben von sieben Sonnen, durch welche die Welt ausgebrannt wird; ein darauf folgender Regen löscht das Feuer, und Maidiri erhebt sich zum Himmel, um von seinem Throne Besitz zu nehmen. Die Erde ist alsdann entvölkert, alle Menschen sind im Paradiese, und die Bewohner der Hölle kommen herauf, um sie zu bewohnen; ihre Geister fahren in alle möglichen Thiere, sie haben die Seelenwanderung in höchster Potenz zu bestehen: von dem niedrigsten Insect durchgeht der Geist jede Stufe zur Vervollkommnung, bis der böse Höllengeist, gebessert, Mensch geworden sein wird und des Paradieses theilhaftig werden kann. Die Bewohner des Paradieses sind körperlos, doch geniessen sie jeder Freude, deren sie als Menschen fähig gewesen, nur in einem so viel höhern Grade, dass Alles, was sie früher empfanden, keinen Vergleich mit der Seligkeit des Paradieses aushält. In das Paradies zu gelangen, ist übrigens nur am Ende jedes Weltabschnittes, oder bei dem jedesmaligen Untergange der Welt möglich; allein die Menschen, welche ein heiliges Leben geführt haben, gelangen nach ihrem Tode an die Pforten des Paradieses, vor welchen, harrend auf das Weltende, sie des Anblickes der Götter theilhaftig sind. Die Hölle der tatarischen Völker ist ein Ort der grässlichsten Qualen; die Teufel leiden dieselben bis zum Untergange der Welt; der jetzt erwartete Bote des Unterganges wird empfangen und geboren durch eine Jungfrau, Tochter eines japanischen Königs, welche von dem Fürsten der Teufel beschattet worden ist.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874