Scylla

Scylla

Griechische Mythologie

Tochter des Typhon und der Echidna, nach Anderen des Neptun und der Nymphe Cratäis. Die Beschreibungen von diesem Meerungeheuer sind grell genug, obwohl die bildenden Künste denselben niemals gefolgt sind; nach Homer wohnt sie an einem den Himmel berührenden Felsen, dessen Scheitel stets mit Wolken gekrönt ist. Wegen seines glatten Aeussern kann der Berg nicht erstiegen werden, und so haust denn dieses Unthier in der Aushöhlung, welche das Meer in den Fuss desselben gewaschen hat, ungestört, und bringt Verderben jedem Nahenden. Zwölf Füsse hat dasselbe, doch sind sie weniger schädlich, als man von der Gewalt der Riesin erwarten sollte, weil sie mit allen Füssen an den Felsen gefesselt ist; dagegen hat der furchtbare Körper auf sechs langen Hälsen sechs entsetzliche Köpfe, welche aus Hunger und Wildheit immerfort brüllen; drei Reihen Zähne füllen den Rachen, und alle Nahenden werden ein willkommener Frass derselben; gibt es sonst Nichts, so fängt sie Delphine und Seehunde, nahet jedoch ein Schiff, so muss ihr dieses Einige von seiner Mannschaft zurücklassen. Auf den Kampf gefasst, kam Ulysses heran, und Alles ward versucht, um das Unthier mit Spiessen und Stangen abzuwehren; doch musste Ulysses die Kühnheit, durch die sicilianische Meerenge gefahren zu sein, mit dem Verlust von sechs seiner treuesten Gefährten bezahlen. Berüchtigt waren damals diese Gewässer (zwischen Italien und Sicilien) durch die Scylla und die Charybdis (incidit in Scyllam cupiens vitare Charybdin), da man für unmöglich hielt, beiden zugleich auszuweichen. Jetzt sind die Schrecken alle verschwunden, und kein Fischerkahn scheuet die Ungeheuer. Die Scylla wird gewöhnlich als ein riesiges Weib mit aufgehobenem Ruder, als wollte sie Jemand erschlagen, vorgestellt; ihr Leib endet in zwei Delphinenschwänze.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874