Sphinx

Sphinx

Aegyptische u. griechische Mythologie

Ursprünglich colossale Steinbilder in Aegypten, von unbekannter Bedeutung; man hält sie im Allgemeinen für mystische Hüter und Schutzgeister der Tempel und Todtenwohnungen. Die Figur ist ein (ungeflügelter) liegender Löwe, entweder mit dem Gesicht und der Brust eines Weibes, manchmal mit einem Bärtchen am Kinn, oder auch mit Widderoder Sperberköpfen. Unter den unzähligen ägyptischen Sphinxen ist die grösste, die auch am meisten Kunststil verräth, jene Sphinx bei Memphis, von der nur noch Hals und Kopf aus dem Sande hervorragen; der Umfang des Kopfes beträgt 102 Fuss, die Länge des Leibes 113 Fuss. Kleinere dergleichen Gebilde fanden und finden sich noch in Aegypten vor den Tempeln in eigentlichen, oft halbe Stunden langen Alleen zu vielen Hunderten an einander gereiht, in colossaler Grösse, und gehören zu den höchsten Zierden jener Wunderbauten. Die Griechen, welche sich alles Fremde aneigneten, sobald es ihnen der Mühe werth schien, thaten es auch mit der Sphinx, welche sie eine Tochter der Echidna und ihres eigenen Sohnes, des Hundes Orthrus, nannten. Juno hatte sie nach Theben geschickt, und zwar ans dem fernsten Aethiopien (hierin scheint der Zusammenhang mit Aegypten verborgen zu liegen), um die Thebaner zu strafen, weil sie die Frevel des Laius ungestraft hingehen liessen. Das Weitere des Mythus siehe unter Oedipus. Die griechische Kunstdarstellung der Sphinx ist von der ägyptischen verschieden; ursprünglich ist es ein geflügelter Löwenkörper, mit Kopf und Brust einer Jungfrau; später eine Jungfrau mit Brust, Füssen und Krallen eines Löwen, Schlangenschweif, Vogelflügeln, oder vom Löwe, hinten Mensch, mit Geierkrallen und Adlerflügeln, und zwar nicht immer liegend, sondern auch in andern Stellungen. Die thebanische Sphinx hat zuweilen auch einen Hundeleib.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874