Aeolus

Aeolus

Griechische Mythologie

1) einer der Stammhelden des hellenischen Volkes, Sohn des Hellen und der Nymphe Orseis, Herrscher im thessalischen Magnesia; seine Brüder sind Dorus und Xuthus. Ae. verband sich mit des Deimachus Tochter Enarete, und aus dieser Ehe entsprangen sieben Söhne: Deion, Cretheus, Magnes, Perieres, Salmoneus, Sisyphus und Athamas, und fünf Töchter: Canace, Alcyone, Pisidice, Calyce und Perimede.

2) Ae., der Beherrscher der Winde. Die Höhle, in welcher die Winde ihren Sitz haben, wird von dem Einen nach Thracien, von dem Andern nach Sicilien, und nach den äolischen oder liparischen Inseln von einem Dritten und Vierten versetzt. Der letzteren Meinung sind auch Homer und Virgil (vgl. Aen. 1, 50 ffg.). Plinius (N. G. 3, 14) ergänzt die Nachricht, indem er die bei Sicilien liegenden Liparias, Hephästiaden, oder vulcanischen Inseln, als die ehemals äolischen bezeichnet, und Strongyle als die Residenz des Ae. angibt. Bei Homer erzählt Ulysses am Anfange des zehnten Gesanges der Odyssee, dass er zu der Insel des Ae. gelangt sei, beschreibt sie als schwimmend und von einer ehernen Mauer ganz umschlossen. In einem Palaste sind dem Ae. sechs Söhne, Astyochus, Xuthus, Androcles, Pharämon, Jocastus und Agathyrnus, und sechs Töchter geboren, welche, mit einander verheirathet, stets bei ihm bleiben und ihre Zeit mit Schmausen zubringen, denn unzählbare Speisen sind ihnen aufgestellt. Ae. nimmt den Fremden gastfreundlich auf, beherbergt ihn einen Monat lang, und entsendet ihn dann mit günstigem Winde in die Heimath, während er ihm die feindseligen Stürme, in den Schlauch von einem neunjährigen Rinde gesperrt, mitgibt, und sie selbst mit silbernem Seile im Schiffe festbindet. Allein der Gefährten Neugier bringt ihn wieder in's Unglück, denn schon im Angesichts von Ithaca entschlummert der Held, und die Andern, meinend, dass Schätze in jenem Schlauch verborgen seien, öffnen ihn, zurück fliehen die Stürme, und reissen das Schiff mit sich fort zu des Ae. Insel, wo Ulysses diessmal keine so gute Aufnahme findet, indem der König ihn für einen Verworfenen, von den Göttern Verstossenen hält, und seine unglückbringende Nähe von sich weist. Wie Plinius, beschreibt auch Strabo die Inseln des Ae., nur bevölkert er dieselben auf andere Weise; er sagt von ihnen, es habe sich ein Sohn des Königs Auson, Namens Liparus, durch einen Aufstand seiner Brüder genöthigt, mit Schiffen und Soldaten auf die nach ihm benannte Insel Lipara geflüchtet und die Stadt desselben Namens gegründet, so wie die übrigen Inseln bebaut. Er war schon alt, als Ae., ein Sohn des Hippotas, mit einigen Begleitern auf Lipara landete. Dieser vermählte sich mit der Tochter des Königs, verschaffte seinen Leuten gleiche Rechte mit den Eingebornen und wurde endlich selbst König. Der Historiker erklärt diesen Ae. für denjenigen, zu welchem Ulysses auf seiner Irrfahrt kam; er nennt ihn fromm und gerecht, gegen die Fremden freundlich. Er war es ferner, der den Gebrauch der Segel bei der Schifffahrt einführte, und aus Vorzeichen, die er an dem Feuer beobachtete, den Einwohnern die Winde genau voraussagte, daher ihn die Fabel zum Gebieter der Winde gemacht hat.

3) Ae., ein Gefährte des Aeneas, ein Phrygier, welcher in der Schlacht gegen Turnus von dieses Fürsten Hand fiel, obgleich Aeneas zu seiner Rettung erschien.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874