Dschamadagni

Dschamadagni

Indische Mythologie

Ein sehr heiliger Bramine, welchem Wischnu ein grosses Geschenk mit seinem eigenen, nie fehlenden Bogen machte (nach Andern erbte er denselben von seinem Vater, der, ein Liebling des Wischnu, ihn von diesem erhalten). Dschamadagni hatte sich, wider die Gewohnheit der Braminen, so weit vergessen, eines blossen Königs Tochter zu heirathen (ein König steht an Rang und Würde weit unter dem niedrigsten Pagoden-Bramin); doch war sie fromm und keusch, und dieses so sehr, dass sie täglich das Wasser aus dem Ganges ohne Gefäss zu schöpfen ging, indem es sich unter ihren Händen zu einer glänzenden Krystallkugel formte, welche sie vor sich her, oder auf dem Kopfe nach Hause trug, ohne dass ein Tropfen davon herab gefallen wäre. Sie und ihre Mutter baten Brama um Söhne, der Gott gab jeder ein Gericht Reis, mit dem Bedeuten, dass, wenn sie dieses verzehrt haben würden, ihr Wunsch in Erfüllung gehen solle. Dschamadagnis Gattin vertauschte die beiden Schüsseln, und so bekam des Kriegers (Königs) Gattin einen milden und heiligen, die Braminenfrau aber einen kriegerischen Sohn, der eine Verkörperung des Wischnu, der berühmte Parasu Rama, war. Dschamadagni besass durch Indra's Gunst die berühmte Wunderkuh. (s Kamdewa). Das Ende der Gattin Dschamadagnis ist merkwürdig genug. Ihre Reinheit widerstand jeder Prüfung, und immer brachte sie, in Folge dessen, das Gangeswasser ohne Gefäss heim; einst aber erblickte sie einen himmlischen Genius in den Wolken; mit Wohlgefallen ruhte ihr Auge auf der schönen Gestalt, und augenblicklich zerfloss die Kugel in ihren Händen; sie hatte die Kraft, welche völlige Reinheit ihr lieh, verloren; der Bramin hieb ihr daher augenblicklich den Kopf ab, und liess sie am Ufer des Ganges liegen. Die Kinder fragten nach der Mutter, worauf der Vater sagte, was er an der Ungetreuen gethan, und erst nach vielen Bitten des Parasu Rama liess er sich bewegen, diesem die Erlaubniss zu ertheilen, den Körper der Mutter wieder zu holen, um ihn zu heilen, unterdessen war eine Bajadere wegen Verletzung ihres Gelübdes, einer gewissen Pagode allein anzugehören, mit dem Tode bestraft worden, und lag mit abgehauenem Kopf neben der Mutter. Rama verwechselte den Körper, nahm den Kopf der Mutter und den Körper der Buhlerin, setzte beide zusammen, und neues Leben durchströmte die Adern, aber zu dem reinen, heiligen Geist war ein irdisch lüsternes Weib gekommen, und klagend über ihr Unglück, brachte sie ihr ganzes Leben zu, denn jeder gute Entschluss ward durch die Verwechselung zunichte, und jede neue Sünde quälte den reinen Geist.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874