Einleitung I: Die persische Götterlehre

Einleitung

Einleitung I: Die persische Götterlehre

Einleitung

Für eigentliche Mythologien erklärt Schelling die vielgötterischen. In der persischen Götterlehre sieht er denn eine der Mythologie feindliche oder widerstrebende. Zur Vielgötterei im Sinne anderer Völker sind die Perser allerdings nicht vorgeschritten, aber an Götterwesen mangelt es ihnen keineswegs. Ueber den beiden Vertretern des guten und bösen Prinzips, den schon oben erwähnten Göttern Ormuzd und Ahriman, soll ein Urgott gestanden haben, ein höchstes Wesen, wie man es auch auffassen und nennen möge. Schelling meint nun, dem persischen Bewusstsein habe von Anfang an der ausschliessliche Gott vorgeschwebt, der, wie es bei den andern Völkern der Fall gewesen sei, in diesem Bewusstsein den Uebergang' gefunden habe zu dem Gotte, welcher der Mannichfaltigkeit Raum gebe; er nimmt daher einen Allgott der Perser, da deren Bewusstsein sich dem successiven Polytheismus versagt habe, in dem Mithras an. Letzterer ist denn ein einziger Gott, er ist, nach diesem System, die beiden Götter zusammen, der relativ geistige und zugleich der ungeistige Gott; er ist die beiden, die er, obgleich sie sich beständig bekämpfen, nicht auseinander lässt. Von dem Mithras indessen weiss Herodotos merkwürdigerweise keine Sylbe. Er kennt vielmehr, wie Schelling den historischen Bericht des Griechen von der persischen Götterlehre deutlich zusammenfasst, nur jene alten ohne Tempel, Altäre und Bilder angebeteten Götter, welche auch in der späteren persischen Geschichte noch immer als die altväterlichen Götter, dei patrii, und demnach im Gegensatz mit jüngeren Göttern erwähnt werden: er kennt also nur jenen höchsten Gott des Himmels, den auch andere Griechen den persischen Zeus nennen, Sonne und Mond sammt den Elementen. Kyros bete daher bei Xenophon: 0 väterlicher Zeus.und die Sonne und alle Götter, nehmt diess an. Es erhelle aus dieser und ähnlichen Stellen, dass jene alten Götter in Persien nicht antiquirt gewesen, sondern noch immer verehrt Morden wären, und daraus sei zu schliessen, dass die spätere religiöse Entwicklung in Persien nicht denselben Weg wie unter anderen Völkern, z. B. den Griechen, genommen habe, welche auf Verehrung von Sonne und Mond als barbarisch herabgesehen hätten. Letzteres ist allerdings richtig, nur mit der Einschränkung, dass in Apollon (Phöbus, Helios) und in Artemis Sonne und Mond durch Götter ersten Rangs vertreten waren. Dass übrigens Herodotos Kenntniss hat von einer Mitra, also einer weiblichen Gottheit, ist für uns an diesem Orte gleichgültig; Schelling unterlässt es jedoch nicht, den Zusammenhang zwischen Mithra und Mithras nach seiner Weise zu erschwingen. Wir heben lediglich nochmals hervor, dass es zutreffend ist, mit diesem Philosophen geschichtlich anzuerkennen, dass die Perser noch zu Herodots Zeiten den Himmel, Sonne, Mond und die Elemente, tempel- und bilderlos, auf eine Weise verehrten, wie sie weder von den Phönikern, noch von den Aegyptern, Indern oder Griechen verehrt wurden. Die späteren Momente, setzt Schelling hinzu, fehlen in der persischen Mythologie ganz, nämlich die Momente, wie sie sich im Göttersystem der Phöniker, Karthager, Aegypter, Inder und selbst der Griechen entwickelt haben. Nach der macedonischen Eroberung Persiens (also geraume Zeit nach Herodot) reden spätere griechische Berichte von dem Mithras als dem Ilauptgott der Perser, und wir weisen noch darauf hin, dass sich der Mithrasdienst nachmals weit über das Abendland und das römische Reich hin verpflanzt hat, ein Kultus mit mystischen Weihen, öffentlichen und allgemeinen Freudenfesten, fröhlichen Volkstänzen und Schwelgereien. Von dem Ursprung und Wandel dieser Verehrung handelt Schelling ausführlich. Doch können wir dem, was er über den Charakter der persischen Mythologie als einer unmythologischen Götterlehre behauptet, desswegen nicht schlechthin beistimmen, weil wir nicht vergessen, dass die Perser, wie es scheint, zu allen Zeiten an untergeordneten Götterwesen, Geistern, Genien Ueberfluss hatten. Ihre Mythologie war eben eine eigenartige.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874

Die indische Götterlehre < > Die deutsch nordische Götterlehre