Adonis
Sohn der Myrrha oder Smyrna und ihres eigenen Vaters, des Königs Thias von Assyrien. Myrrha war überaus schön, so dass sie sich für schöner hielt, als Venus, wofür diese sie auf das Härteste bestrafte, indem sie sie in ihren eigenen Vater verliebt machte. Bemüht, diese verbrecherische Neigung zu unterdrücken, ward sie von ihrer Amme verführt, derselben nachzugeben; allein nach vollbrachtem Verbrechen entflieht sie schaudernd und bittet die Götter um Hülfe, welche sie in einen Baum verwandeln, dessen immerfort fliessende Thränen das köstliche Myrrhenharz sind. Aus dem Baume trat, seine Rinde sprengend, Adonis in göttlicher Schönheit hervor. Den holden Knaben barg Venus in einem Kästchen und übergab dasselbe der Proserpina zur Aufbewahrung, doch diese verweigerte die Rückerstattung, worauf Jupiter dahin entschied, dass beide Göttinnen sich in des Jünglings Besitz theilen sollten, ein Drittel des Jahres aber Adonis zu freier Verfügung bleibe; dieses schenkte er der Venus, so dass er nun acht Monate auf der Oberwelt und vier bei Proserpina zubrachte. Mars ward eifersüchtig auf ihn, und sandte dem jagdlustigen jungen Helden einen Eber zu, mit dem er einen Kampf einging, in welchem der Eber zwar erlegt, doch vorher Adonis tödtlich verwundet wurde. Venus eilte auf die Nachricht von dem Unglück so schnell herbei, dass sie nicht einmal der zarten Füsse schonte, denen, von Dornen geritzt, Blut entquoll, wovon die bis dahin weissen Rosen roth wurden; allein die Göttin kam zu spät, sie konnte nur um ihren Liebling weinen und sein Blut mit Nectar besprengen, worauf aus demselben Anemonen entsprangen. Doch erlangte sie von Jupiter, dass er nach seinem Tode die Hälfte jedes Jahres bei ihr im Olymp zubringen durfte. Die Trauer der Venus um Adonis Tod ist vielfältig Gegenstand der antiken Kunst geworden;![Adonis 6](http://www.vollmer-mythologie.de/gif/6.gif)
Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874