Memnon

Memnon

Griechische Mythologie

Ein Heros, den Homer in der Odyssee nur einmal mit Namen nennt, als den schönsten der Männer, und einmal wahrscheinlich andeutet, wo er sagt, der leuchtende Sohn der Aurora habe Nestor's Sohn, Antilochus, getödtet; Spätere aber stellten ihn mit immer grösserer Bestimmtheit als Theilnehmer des trojanischen Krieges und wirklich historische Person dar. Man nannte ihn einen Sohn des Tithonus und der Aurora, und erzählte, dass er entweder von dem südlich von Aegypten gelegenen Aethiopien, oder von Susa in Persien aus, wo sein Vater Tithonus Statthalter und Günstling des assyrischen Königs Teutamus gewesen sein sollte, seinem Oheim Priamus mit 20,000 Mann zu Hülfe gezogen sei, den Antilochus im Kampfe erlegt habe, selbst aber von Achilles besiegt und getödtet worden sei. Susa nannten wirklich glaubwürdige Geschichtschreiber die memnonische Stadt, und die Burg daselbst das Memnonium: welchen persischen Heros sie dabei mit dem griechischen vermengt haben, ist unbekannt. Ueber seinen Leichnam und sein Grab gab es die manchfaltigsten Sagen. Jenen sollten seine Freunde an den Fluss Aesepus in Mysien, in einen Hain der Nymphen gebracht haben, welche ihm einen mächtigen Grabhügel aufwarfen; oder die Aethiopier bestatteten ihn unter grossem Wehklagen und wurden dafür in Vögel, Memnoniden genannt, verwandelt; oder Aurora entführte ihn durch die Lüfte nach Susa und bestattete ihn dort nach Würden. Ausserdem wurden an manchen andern Orten, z.B. am Flusse Belus bei Ptolema s. Gräber des Memnon gezeigt, und besonders in Aegypten mehrere Memnonien als seine Grabstätten bezeichnet. In Aegypten ist aber sicher eine Verwechselung des griechischen Memnon mit dem ägyptischen König Amenophis III., mit dem Beinamen Meiamoun, d.h. der von Ammon Geliebte, vorgegangen, und diess ist der Grund, warum das colossale sitzende Steinbild dieses Königs in der Nähe des ägyptischen Thebens, noch jetzt am linken Ufer des Nil zu sehen, bei Griechen und Römern den Namen der Memnons-Säule bekam. So lange die obere Hälfte desselben, durch ein Erdbeben abgeworfen, am Boden lag, gab das Bild Morgens bei Sonnen-Aufgang einen klingenden Ton von sich, der sich durch einen Luftzug, welcher im Augenblick des grössten Temperatur Unterschieds zwischen der äussern und der in den Poren des Steins eingeschlossenen Luft durch die letzteren hindurchstrich, natürlich erklärt, von den Alten aber in's Gebiet des Wunderbaren gezogen und namentlich als ein wehmüthiger Gruss, den der gefallene Sohn seiner Muttern Aurora darbringe, gedeutet wurde. Nachdem der Kaiser Septimius Severus das Bild wieder zusammengefügt hatte, verstummte der Ton, wiewohl noch Reisende der neuesten Zeit eine Spur davon vernommen haben wollen. Erst die Verwechselung Memnons mit Amenophis gab die Veranlassung, dass man jenen in das oberhalb Aegyptens gelegene Aethiopien versetzte und folgerichtig theilweise zum Neger machte, während bei den älteren Griechen Aethiopien bloss ein Land am äussersten Ostrand der Erde bedeutete. Eine Abbildung des Memnon-Colosses s.
Memnon 217Fig. 217


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874