Paria s

Paria s

Indische Religion

Die niedrigsten, verachtetsten Personen, keiner Kaste angehörig, auch keine eigene bildend, sondern der Auswurf aller Kasten unter den Hindu. Sie werden mit dem grössten Abscheu betrachtet, sind höchst unrein, dürfen keine Pagode und kein Haus betreten, sind jeden Augenblick dem Mord ausgesetzt, da ein Bramine oder Kschetri, von einem Paria nur gestreift, straflos ausgehen würde, wenn er den Verbrecher augenblicklich niederstiesse. Solch ein Unglücksfall, d.h. von einem Paria berührt zu werden, muss auf die sorgfältigste Weise, durch religiöse Ceremonien von grosser Wichtigkeit, wieder gut gemacht werden, und die Europäer leben in Indien fast in gleicher Verachtung mit den Paria, weil sie sich der Verworfenen als Boten, Arbeiter, Hausknechte, Köche etc. bedienen, und die Verunreinigung nicht scheuen. Die Paria wohnen nicht in Dörfern oder Städten, ihre elenden Hütten müssen weit entfernt von den Häusern anderer Menschen, in Wüsten und Wäldern gelegen sein, und sie müssen diese sowohl, als die Brunnen, aus denen sie ihr Wasser holen, sorgfältig mit Thierschädeln und andern Knochen umgeben, damit schon von fern Jeder wisse, dass dort nur die verabscheuete Rasse sich aufhält. Man glaubt in dem eigentlichen Stamme der Paria die Urbewohner zu finden, welche, durch Eroberer aus ihren Sitzen vertrieben, in die Wälder geflüchtet, und von dort zur schmählichen Knechtschaft hervorgeholt, so herabgesunken sind, wie wir sie jetzt finden. Die gebornen Paria sind schwarzbraun von Farbe, von zartem, doch überaus kräftigem Körperbau, allein durch den Druck, unter welchem sie sich befinden, so muthlos, dass sie sich jede Beschimpfung und Beeinträchtigung ihrer Menschenrechte gefallen lassen, ohne zu zürnen, aber auch wahrscheinlich ohne zu fühlen.


Aus Vollmer's Mythologie aller Völker, Stuttgart 1874